Behandlung der Alkoholabhängigkeit: Neues Medikament reduziert den Alkoholkonsum

Behandlung der Alkoholabhängigkeit: Neues Medikament reduziert den Alkoholkonsum

04.09.2014

Aktuelles: Behandlung der Alkoholabhängigkeit

Eine auf Reduktion ausgerichtete Therapie wird ambulant im gewohnten Umfeld durchgeführt. Copyright: Lutz Jäkel; Lundbeck GmbH

Schritt für Schritt weniger Alkohol trinken

Obwohl Alkohol in unserem Alltag allgegenwärtig und kaum wegzudenken ist, unterliegt die Erkrankung Alkoholabhängigkeit noch immer einem starken Stigma, sodass sie oft unbehandelt bleibt. In der Behandlung gilt Abstinenz als ideales Behandlungsziel. Der Einstieg in eine solche Therapie mit dem Ziel einer sofortigen Abstinenz ist für viele Erkrankte eine große Hürde. Sie lehnen dies ab oder halten es für unrealistisch. Eine Reduktion des Alkoholkonsums kann ein annehmbarerer Behandlungseinstieg mit niedrigerer Hemmschwelle sein. Ab 1. September 2014 steht erstmals ein Medikament zur Reduktion des Alkoholkonsums zur Verfügung: Selincro® (Wirkstoff Nalmefen) unterstützt an Alkoholabhängigkeit erkrankte Erwachsene, ihren Alkoholkonsum zu reduzieren – jene Erkrankte, die mindestens auf einem sogenannten „hohen Risikoniveau“1 trinken (>60 g reiner Alkohol/Tag für Männer, >40 g/Tag für Frauen)*. In Studien bewirkte das Medikament eine schnelle und langfristige Reduktion des Alkoholkonsums.2,3 Das Besondere: Die Behandlung wird ambulant – im gewohnten Umfeld und im Alltag der Patienten – durchgeführt und geht damit auf den einzelnen Patienten und seine Lebensumstände ein.

Ein kühles Bier zum Fußball, ein Cocktail zum Feierabend und Sekt zur Feier des Tages – Alkohol ist Bestandteil unseres Alltags. Doch was ist, wenn der Genuss zu einer Sucht wird? Alkoholabhängigkeit ist eine Erkrankung, von der in Deutschland circa 1,8 Mio. Menschen betroffen sind.4 „Oft wird Alkoholabhängigkeit tabuisiert – vom Umfeld, aber auch von den Erkrankten selbst, wird sie als Willens- oder Charakterschwäche gewertet. Alkoholabhängigkeit ist jedoch eine Erkrankung. Sie kann und sollte behandelt werden. Wichtig ist, sich jemandem anzuvertrauen und professionelle Hilfe bei Ärzten oder bei Beratungsstellen zu suchen“, sagt Prof. Dr. Jens Reimer, Direktor des Zentrums für Interdisziplinäre Suchtforschung (ZIS) der Universität Hamburg.

Völliger Verzicht auf Alkohol oder weniger Alkohol trinken?

Wer für sich entscheidet, eine Behandlung zu beginnen, hat die Wahl, welcher Weg für ihn persönlich der richtige ist: Eine sofortige Abstinenz mit völligem Verzicht auf Alkohol oder eine gezielte Reduktion des Alkoholkonsums, die Schritt für Schritt zu einer Abstinenz hinleitet. „Es gibt nicht den einen Behandlungsweg, der vorgegeben werden kann. So unterschiedlich die Charaktere und Lebensumstände jedes Einzelnen sind, so unterschiedlich sind auch die Behandlungsziele. Erkrankte sollten gemeinsam mit ihrem Hausarzt oder einem Facharzt die individuellen Vor- und Nachteile der Abstinenz und der Reduktion des Alkoholkonsums abwägen und dann den für sich passenden Weg wählen“, sagt Professor Reimer.

Tablette zur Reduktion des Alkoholkonsums

Ab sofort gibt es in Deutschland ein Medikament, das Erkrankte unterstützt, weniger Alkohol zu trinken. Der Wirkstoff reduziert die verstärkende Wirkung von Alkohol auf das sogenannte „Belohnungssystem“ im Gehirn, dessen Aktivität bei Alkoholabhängigen verändert ist5 und verringert dadurch das Verlangen, Alkohol zu trinken.6,7 Die berauschende Wirkung von Alkohol wird jedoch nicht vermindert. Auch werden Empfindungen wie Freude, Motivation oder Lust nicht gemindert. Ärzte können das Medikament in Tablettenform erwachsenen Alkoholabhängigen verschreiben, deren Alkoholkonsum sich auf mindestens „hohem Risikoniveau“1 befindet, die keine körperlichen Entzugssymptome haben und bei denen keine sofortige Entgiftung erforderlich ist.

Schnelle und dauerhafte Reduktion des Alkoholkonsums

Mindestens „hohes Risikoniveau“1 bedeutet, dass ein Mann mehr als 60 g reinen Alkohol pro Tag trinkt, was z. B. etwa drei 0,5 l-Gläsern Bier mit 5 Vol.-% entspricht. Bei Frauen sind es mehr als 40 g, entsprechend ca. zwei 0,2 l-Gläser Wein. In Studien zeigte sich ab dieser Menge eine besonders ausgeprägte Wirkung: Nach einem halben Jahr reduzierte der Wirkstoff hier sowohl den Alkoholkonsum im Gesamten als auch die starken Trinktage pro Monat (definiert als Tage mit mehr als 60 g reinem Alkohol pro Tag bei Männern und mehr als 40 g bei Frauen) um mehr als 50 %.3 Nach einem Jahr verringerten sich der Gesamt-Alkoholkonsum um 67 % und die starken Trinktage um 64 %.2 Wie viel ist dies umgerechnet? 67 % bedeutet z. B. eine tägliche Reduktion um etwa eine ¾ bis ganze Flasche Wein (0,75 l mit 12,5 Vol.-%) oder zehn Schnäpse (2 cl mit 40 Vol.-%). Pro Monat wären dies etwa 27 Flaschen Wein (0,75 l mit 12,5 Vol.-%) weniger. Noch nicht abstinenzbereite Patienten können mit dem neuen Medikament Schritt für Schritt auf einen Weg aus der Alkoholabhängigkeit geleitet werden, auf eine Brücke zur Abstinenz. Dass es sich dabei an den Alltag des Patienten anpasst, zeigt auch die Einnahme: Man nimmt eine Tablette am Tag an Tagen, an denen man das Verlangen verspürt, Alkohol zu trinken – idealerweise 1 bis 2 Stunden vor dem voraussichtlichen Zeitpunkt des Alkoholkonsums, ansonsten möglichst bald nach Beginn.

 

Über Alkoholabhängigkeit

Alkoholabhängigkeit entsteht im Gehirn dadurch, dass Bereiche des „Belohnungslernens“ durch Alkohol verändert werden und eine große Präferenz für alles entsteht, was mit Alkohol in Verbindung steht. Unter Fortführung des Konsums entwickelt sich die Erkrankung progressiv.8,9 Alkohol ist für die meisten Körperorgane schädlich, wobei die konsumierte Menge eng mit dem Risiko einer erhöhten Morbidität und Mortalität korreliert.10 Alkohol ist ursächlicher Faktor für mehr als 60 Erkrankungen und Gesundheitsschäden.11 Bei der Entstehung der Alkoholabhängigkeit spielen auch genetische und Umweltfaktoren eine wichtige Rolle.12 Ein wesentliches Merkmal der Alkoholabhängigkeit ist der häufig übersteigerte Konsumwunsch, bedingt durch die hohe „Belohnungserwartung“ an den Alkoholkonsum. Die Patienten haben Schwierigkeiten, den Alkoholkonsum zu kontrollieren und konsumieren trotz der schädlichen Folgen weiterhin Alkohol.13

Übermäßiger Alkoholkonsum kommt in vielen Teilen der Welt und insbesondere in Europa häufig vor, wo über 14 Millionen Menschen alkoholabhängig sind.14 Allein in Deutschland sind circa 1,8 Mio. Menschen an Alkoholabhängigkeit erkrankt.4 Bei Patienten mit Alkoholabhängigkeit sollten bei einem umfassenden Behandlungsansatz sowohl Abstinenz als auch eine Reduktion als Einstieg in die Therapie berücksichtigt werden.15

Über die Lundbeck GmbH

Lundbeck ist ein international tätiges Pharmaunternehmen mit Gründungssitz in Kopenhagen, Dänemark. Das Unternehmen ist spezialisiert auf die Entwicklung und den Vertrieb innovativer Medikamente zur Behandlung von psychischen und neurologischen Erkrankungen. Lundbeck wurde 1915 in Dänemark gegründet und beschäftigt heute mehr als 5.800 Mitarbeiter in über 57 Ländern. Das „Unternehmen ZNS“ (www.lundbeck.de) hat seinen deutschen Firmensitz in Hamburg.

Weitere Informationen unter: www.alkohol-reduzieren.de.

 

* Orientierungswert: Ein Glas Wein (0,2 l mit 12,5 Vol.-%) oder ein Glas Bier (0,5 l mit 5 Vol.-%) beinhalten jeweils ca. 20 g Alkohol.

Quellen 

1) WHO 2000: International guide for monitoring alcohol consumption and related harm
2) Van den Brink W et al., J Psychpharmacol 2014; DOI: 10.1177/0269881114527362
3) Van den Brink W et al. Alcohol and Alcoholism 2013; 48:550-578
4) Pabst et al. Sucht 2013; 59(6):321-331
5) Heinz et al. Addict Biol 2009; 14(1): 108-118
6) Kiefer F, Dinter C (2013) Novel treatment approaches targeted at learning and memory. Curr Top Behav Neurosci. 13:671-84
7) Spanagel R, Kiefer F (2008) Drugs for relapse prevention of alcoholism: ten years of progress. Trends in Pharmacological Sciences 29(3):109-15
8) Von der Goltz C, Kiefer F (2008) Zur Bedeutung von Lernen und Gedächtnis in der Pathogenese von Suchterkrankungen. Der Nervenarzt 79(9):1006-16
9) Leshner. Science 1997; 278: 45-47
10) Rehm et al. Eur Addict Res 2003; 9: 147-156
11) WHO. Global status report on alcohol and health, 2011
12) Schuckit. Ch. 98. In: Davis et al (eds). Neuropsychopharmacology: The Fifth Generation of Progress. 2002
13) WHO, ICD-10, F10-19
14) Wittchen et al. Eur Neuropsychopharmacol 2011;21(9): 655-679
15) Ambrogne. J Subst Abuse Treat 2002; 22(1): 45-53

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