Immer mehr Kinder und Jugendliche wegen psychischer Probleme in der Reha
Immer mehr Kinder und Jugendliche wegen psychischer Probleme in der Reha
22.04.2015
Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Rehabilitation und Prävention
„Etwa ein Viertel der Kinder und Jugendlichen, die heutzutage eine stationäre Reha erhalten, benötigen diese wegen psychischer Erkrankungen oder Gesundheitsbeschwerden“, berichtete Gundula Roßbach, Direktorin der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund), im Rahmen des diesjährigen Rehawissenschaftlichen Kolloquiums der DRV in Augsburg.
Während der Anteil der Kinder, die wegen Asthma bronchiale und anderer Atemwegserkrankungen in einer stationären Reha behandelt werden, aufgrund einer verbesserten ambulanten Versorgung abnimmt, steigt der Anteil an jungen Reha‐Patienten mit psychischen Auffälligkeiten, Verhaltens‐ oder Angststörungen, Störung des Sozialverhaltens und depressiven Verstimmungen weiter an. „Damit rangieren psychische Störungen mit 25% auf Platz 1 der Reha‐Indikationen, an zweiter Stelle steht mit 19% die Adipositas, also starkes Übergewicht“, erklärte die DRV‐Direktorin.
Frühe Unterstützung ist gefragt
Diese Entwicklung kann auch Kathleen Krause von der Universität Potsdam, die das Projekt „Netzwerk Schule und Krankheit“ betreut, bestätigen. „Etwa 15% der Schüler leben mit einer chronischen Krankheit und gut 22% der 3‐ bis 17‐Jährigen haben heutzutage psychische Störungen. Es gilt, die Betroffenen frühzeitig zu unterstützen, Lehrer und Mitschüler für die Situation zu sensibilisieren.
Dem Kind selbst muss der Druck und das Gefühl des Ausgeschlossen‐Seins genommen werden, auf krankheitsbedingte Schulausfälle und Lernschwierigkeiten müsste besser eingegangen werden können, um eine erfolgreiche Schulausbildung zu ermöglichen“, fordert Kathleen Krause. Hier kann die Kinder‐ bzw. Jugendreha ein Element zur Verbesserung sein. Losgelöst vom gewohnten Umfeld lernen chronisch kranke und psychisch auffällige Kinder andere Kinder mit ähnlichen Problemen kennen und erfahren eine individuelle Förderung im Schulalltag, die eine Regelschule nicht leisten kann.
Bestehende Bedarfe, dennoch wird das Angebot nicht ausgeschöpft
Es besteht nach wie vor ein Bedarf an qualifizierter medizinischer Rehabilitation für Kinder und Jugendliche. Doch warum profitieren nur etwa 30.000 Kinder und Jugendliche jährlich von einer Reha‐Leistung? Viele Ärzte und Eltern wissen nicht, dass die DRV medizinische Reha‐Leistungen für Kinder und Jugendliche finanziert, und dass die Eltern in die Behandlung einbezogen werden. Es ist wichtig, auch die Kinder und Jugendlichen zu erreichen, die zwar aufgrund ihres Gesundheitszustandes auf Rehabilitationsleistungen angewiesen sind, sie jedoch bisher aus Unkenntnis oder anderen Gründen nicht in Anspruch nehmen.
So kann beispielsweise bis zum vollendeten achten Lebensjahr ein Elternteil das Kind in die Rehaklinik begleiten, bei besonderer medizinischer Notwendigkeit ist dies auch noch bei etwas älteren Kindern möglich. Doch das reicht vielen Eltern nicht. „Die DRV hat als einer der Kostenträger der Kinderrehabilitation und Jugendrehabilitation diese Problematik erkannt und wird die Altersgrenze erneut diskutieren“, verspricht die DRV‐Direktorin Gundula Roßbach.
Eltern-(Mit)Arbeit ist entscheidend
Denn wie wichtig für eine erfolgreiche Reha auch gerade die Einbeziehung und Zusammenarbeit mit Eltern ist, bestätigte Prof. Dr. Fabienne Becker‐Stoll, Direktorin des Staatsinstituts für Frühpädagogik in München. „Wissenschaftliche Studien belegen, dass frühkindliche sichere Bindungserfahrungen und familiäre Unterstützung wichtige Schutzfaktoren für die positive Entwicklung und damit auch spätere Leistungsfähigkeit von Kindern darstellen“, erläutert Frau Prof. Becker‐Stoll.
Sie betont, dass schon im Kleinkindalter die Weichen für eine spätere erfolgreiche Berufstätigkeit gelegt werden und hält daher eine frühzeitige Reha für „risikobehaftete“ Kleinkinder für sinnvoll und notwendig. Hierfür spricht auch der Erfolg eines Coachings von Müttern mit Schreibabys. „Bereits wenige Seminare reichen aus, Eltern zu stärken, so dass sie besser mit der Situation umgehen können und feinfühliger auf ihr Kind eingehen können“, erklärt Frau Prof. Becker‐Stoll.
Chancen auf Schulabschluss fördern
Auch Dr. Helmut Wallrabenstein, Leitender Arzt bei der Bundesagentur für Arbeit, unterstreicht die Wichtigkeit einer frühen Intervention bei kranken Kindern und Jugendlichen in Hinblick auf den Schulabschluss. Denn er weiß aus seiner täglichen Arbeit, dass ein fehlender Abschluss eines der größten Hindernisse bei der beruflichen Integration darstellt.
Dies ist der Grund, warum sich die DRV für eine Rehabilitation chronisch kranker Kinder und Jugendlicher, gleich ob mit körperlichen oder psychischen Beschwerden, stark macht. „In der medizinischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen sollte auf eine Steigerung der Leistungsfähigkeit und damit der späteren Erwerbstätigkeit geachtet werden. Dies kann allerdings nicht allein durch eine Reha erfolgen. Sie ist ein Baustein, der mit ambulanten und nachgehenden Leistungen stärker verzahnt werden müsste“, so die RV‐Direktorin abschließend.
Weitere Informationen rund um das Thema „Kinder‐ und Jugendreha“ inklusive einer Liste der Kinder‐ und Jugend‐Rehakliniken sowie Tipps zur Antragsstellung erhalten Sie unter www.kinder-und-jugendreha-im-netz.de.