Nach dem Schlaganfall: Vorhofflimmern bei jedem zehnten Patienten

Nach dem Schlaganfall: Vorhofflimmern bei jedem zehnten Patienten

28.06.2014

Die langfristige und lückenlose Überwachung von Patienten nach einem Schlaganfall unbekannter Ursache (kryptogener Schlaganfall) liefert in vielen Fällen Hinweise auf ein zugrunde liegendes Vorhofflimmern. So lautet das Ergebnis einer Untersuchung von 441 Patienten, das heute im "New England Journal of Medicine" veröffentlicht wurde. Durch einen unter die Haut implantierten Eventrecorder konnte im ersten Halbjahr nach dem Schlaganfall bei sechs Mal mehr Patienten ein Vorhofflimmern nachgewiesen werden als bei der konventionellen Überwachung mit Standard-EKGs.

„Die Studie zeigt eindrucksvoll, dass eine relevante Zahl von Patienten mit kryptogenen Schlaganfällen unter Vorhofflimmern leidet oder dieses später entwickelt. Daher sollte bei Patienten mit einem Embolie-verdächtigen Schlaganfallmuster, bei denen die Quelle der Embolie aber nicht gesichert werden kann, die Implantation eines Aufzeichnungsgerätes erwogen werden“, kommentiert Professor Dr. med. Joachim Röther, Chefarzt der Neurologischen Abteilung der Asklepios Klinik Altona für die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG). Das große Potenzial für die Schlaganfallprävention bestätigt auch Professor Dr. med. Martin Grond, Erster Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). Er weist gleichzeitig darauf hin, dass neue Technologien in Zukunft auch ein nichtinvasives mobiles Langzeit-Monitoring ermöglichen könnten.

Der ischämische Schlaganfall ist weltweit eine der häufigsten Ursachen für Behinderung und Tod – in bis zu 30 Prozent der Fälle bleibt die Ursache ungeklärt, dann wird er als kryptogener Schlaganfall bezeichnet. Ein internationales Team von Neurologen und Kardiologen mit deutscher Beteiligung hat nun erneut dazu beigetragen, die Mechanismen aufzuklären, die diesem kryptogenen Schlaganfall zugrunde liegen. Im Rahmen der klinischen Studie CRYSTAL AF (Cryptogenic Stroke and Underlying Atrial Fibrillation) konnte mit einem implantierbaren Ereignisrekorder (ICM, Insertible Cardiac Monitor) innerhalb eines Jahres bei etwa jedem zehnten Patienten nach solchen Insulten mit a priori unbekannter Ursache Vorhofflimmern nachgewiesen werden. „Diese Informationen stärken nicht nur unsere Vermutung, dass den meisten dieser Schlaganfälle ein embolischer Mechanismus zugrunde liegt, erklärt Professor Dr. med. Hans-Christoph Diener von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, einer der Autoren der neuen Studie und Direktor der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Essen. „Die Studie hat auch therapeutische Implikationen, weil sie nahelegt, dass dieser Patientenkreis besonders von oralen Antikoagulantien profitieren könnte.“

EKG versus Eventrecorder

Gemäß den aktuellen Leitlinien sollte von Patienten nach einem ischämischen Schlaganfall mindestens 24 Stunden lang ein Elektrokardiogramm abgeleitet werden, um ein Vorhofflimmern auszuschließen, erläutern die Mitglieder von CRYSTAL AF in der Publikation ihrer Studie im New England Journal of Medicine. Die optimale Dauer und Art der Überwachung ist aber noch nicht bekannt, daher wurde das Standardverfahren mit einem Ereignisrekorder verglichen, der nach dem Zufallsprinzip bei jedem zweiten Teilnehmer mit einem ambulanten Eingriff eingepflanzt wurde. An der vom Hersteller des Aufzeichnungsgerätes finanzierten Studie hatten 441 Patienten ab 40 Jahren teilgenommen. Voraussetzung war, dass eine Überwachung per EKG in den ersten 24 Stunden keine Hinweise auf Vorhofflimmern ergeben hatte. Erst danach wurde – spätestens 90 Tage nach dem Schlaganfall – der Ereignisrekorder implantiert. Die Auswertung der Ereignisrekorder-Aufzeichnungen wurde sowohl für sechs, als auch für zwölf Monate durchgeführt und mit den Befunden aus der routinemäßigen Überwachung verglichen. Ein Vorhofflimmern von mindestens 30 Sekunden Dauer fand sich dabei im ersten halben Jahr per Ereignisrekorder bei 8,9 Prozent der Patienten, gegenüber nur 1,4 Prozent in der Kontrollgruppe. Auch im zweiten Halbjahr konnten mit dem ICM zusätzliche Fälle von Vorhofflimmern dokumentiert werden: Die Rate betrug nun über 12 Monate 12,4 Prozent, gegenüber nur 2,0 Prozent in der Kontrollgruppe. Dieser Trend setzte sich mit längerer Beobachtungszeit fort. Unter den verbleibenden 48 Patienten, die für die Aufzeichnungen über drei Jahre gewonnen worden waren, wies der ICM ein Vorhofflimmern bei 30 Prozent nach, während es in der Kontrollgruppe lediglich 3 Prozent waren.

Neue Entwicklungen beim Langzeit-Monitoring

„Erstaunlich ist, dass in dieser Studie vier von fünf (79 Prozent) Patienten die jeweils erste Episode des Vorhofflimmerns nicht bemerkt haben“, erläutert Professor Dr. med. Martin Grond, Chefarzt der Neurologischen Klinik am Kreisklinikum Siegen, der vor Kurzem auf dem Gebiet der Erkennung von kryptogenen Schlaganfällen durch Langzeit-EKG eine Studie durchgeführt hat. „Die neue CRYSTAL AF-Studie zeigt, dass das Monitoring von Patienten mit kryptogenen Schlaganfällen noch viel Potenzial für die Schlaganfallprävention hat“. Gleichzeitig weist er aber darauf hin, dass neue Technologien künftig auch ein effektives nichtinvasives Langzeit-Monitoring ermöglichen könnten. „Hier dürfen wir in den nächsten Jahren sicher weitere Fortschritte erwarten“, blickt der Neurologe in die Zukunft.

 

Fachlicher Kontakt bei Rückfragen:

Prof. Dr. med. Joachim Röther
Pressesprecher der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG)
Chefarzt der Neurologischen Abteilung
Asklepios Klinik Altona, Paul-Ehrlich Straße 1, 22763 Hamburg
Tel.: +49 (0)40 1818 81-1401, Fax: +49 (0)40 181881-4906
E-Mail: j.roether@asklepios.com

Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener
Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN)
Direktor der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Essen
Hufelandstr. 55, 45122  Essen
Tel.: +49 (0)201 7232460, Fax: +49 (0)201 7235901
E-Mail: hans.diener@uk-essen.de

Quick Links 1

Quick Links 2

Quick Links 3