Die Eltern werden pflegebedürftig! Was kann man tun?
Die Eltern werden pflegebedürftig! Was kann man tun?
14.08.2014
Seit Jahrzehnten steigt die Lebenserwartung in Deutschland kontinuierlich an. Das ist erfreulich, führt aber auch zu einer rasant steigenden Zahl an älteren Menschen, die auf die Pflege anderer angewiesen sind – sei es zu Hause durch die eigene Familie oder im Heim. Schon jetzt gibt es in Deutschland rund 2,5 Millionen Pflegebedürftige – Tendenz steigend. Während eine solche Pflegebedürftigkeit in vielen Fällen schleichend voran geht und sich allmählich, etwa durch voranschreitende Demenz, ankündigt, gibt es auch zahlreiche Fälle von Menschen, die über Nacht pflegebedürftig geworden sind. Gerade Stürze und Schlaganfälle sind häufig Ursache einer plötzlichen Pflegebedürftigkeit.
Bild: Laut BMG waren im Jahr 2012 rund 2,4 Millionen Menschen pflegebedürftig.
Was also tun, wenn die Eltern pflegebedürftig werden? Da eine Pflegeversicherung in Deutschland Teil der normalen Krankenversicherung ist, hat im Pflegefall prinzipiell jeder Anspruch auf Leistungen. Der Weg hin zu einer angemessenen Pflegeversorgung ist jedoch mit zahlreichen Stolpersteinen gepflastert. Wie etwa läuft der Beantragungsprozess auf Pflegeleistungen und Pflegegeld ab? Was kann man tun, um seine Eltern weiterhin zu Hause pflegen zu können? Gibt es im Fall der Fälle Alternativen zum Pflegeheim? Und wo finde ich als pflegender Angehöriger Unterstützung? Die Zahl der Problemfelder, die sich im Zusammenhang mit der Pflege von Angehörigen auftun, ist hoch. Mit etwas Recherche und Durchhaltevermögen ist es aber durchaus möglich seinen Eltern die bestmögliche Pflege zukommen zu lassen. Der NDR-Ratgeber mit Film zur Thematik bietet eine erste Orientierung beim plötzlichen Pflegefall der Eltern: www.ndr.de/ratgeber/verbraucher/Was-tun-wenn-die-Eltern-Hilfe-brauchen,pflegecheck109.html.
Die ersten Schritte
Die ersten Schritte auf dem Weg hin zur Hilfe bei Pflegebedürftigkeit der eigenen Eltern sind oftmals die schwierigsten. Dies hängt nicht selten damit zusammen, dass das Thema Pflege in vielen Familien nach wie vor tabuisiert wird. Gerade den eigenen Eltern fällt es schwer sich die eigene Pflegebedürftigkeit einzugestehen. Ängste vor einer möglichen Abschiebung ins Heim spielen in diesem Zusammenhang ebenso eine Rolle wie die Angst zu einer Belastung für die eigenen Kinder zu werden. Wie also sollten die ersten Schritte bei Verdacht auf eine Pflegebedürftigkeit der Eltern aussehen?
Der erste Schritt sollte stets die Inanspruchnahme einer Beratung sein. Hierbei gibt es für Angehörige verschiedene Möglichkeiten. Krankenkassen bieten ebenso Beratungsstellen an wie zertifizierte Pflegberater. Aber auch zahlreiche gemeinnützige Organisationen verfügen über einen kostenfreien Pflegeberatungsdienst. Eine Beratung sollte neben einem persönlichen Gespräch auch einen Besuch bei der vermutlich pflegebedürftigen Person umfassen. Mit der Hilfe eines geschulten neutralen Beobachters kann bereits eine relativ zuverlässige Aussage darüber getroffen werden, ob eine Pflegebedürftigkeit vorliegt.
Bei den finanziellen Belangen sollten Angehörige sich über Fördermöglichkeiten informieren und zum Beispiel auf ausstehende Lebensversicherungen achten. Die Kapitallebensversicherung ist im Fall eines Todes oder nach einer bestimmten Zeit auszuzahlen. Diese Form der Absicherung setzt sich aus Kosten, Risiko- und Sparanteil zusammen, wobei der Sparanteil bis zu 80 Prozent des Gesamtbeitrages ausmacht. Sie gilt als Absicherung zu Lebzeiten oder als Anlage für die Hinterbliebenen. Bei finanziellen Engpässen ist es möglich, diese Lebensversicherung vorzeitig zu kündigen und mit dieser Finanzierung die Pflege bewusst zu unterstützen. Weitere Informationen zu den Bedingungen einer Kapitallebensversicherung gibt es auf folgender Seite.
Die Pflegeversicherung – Antragstellung, Leistungen, Pflegestufen
Bild: Ein Viertel der Deutschen ist nicht bereit, Geld in eine private Pflegezusatzversicherung zu investieren.
Prinzipiell ist jeder gesetzlich Krankenversicherte auch pflegeversichert. Lediglich privat Krankenversicherte, müssen sich um eine zusätzliche private Pflegeversicherung kümmern.
"Wer heute 50 Jahre und älter ist, keine Pflegezusatzversicherung bisher abgeschlossen und ansonsten nicht vorgesorgt hat, der bekommt im Pflegefall garantiert Probleme. Je älter man ist, desto höher sind die Beiträge in der Pflegezusatzversicherung wegen des steigenden Risikos. Die Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung reichen in der Regel nicht aus, die tatsächlich anfallenden Kosten der Pflege zu decken", sagt Heiko Löschen, Geschäftsführer von Packenius, Mademann und Partner.
Vermutetet man, dass ein Elternteil langfristig auf Pflege angewiesen sein könnte, gilt es möglichst schnell bei der Krankenkasse einen entsprechenden Antrag zu stellen. Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über Vorgehensweise der Antragstellungen, Leistungen der Pflegeversicherung und Pflegestufen gegeben werden:
- Antragstellung: Die Antragstellung bei der Krankenkasse erfolgt formlos, sollte jedoch unbedingt mit einem Datum versehen werden, sodass später der genaue Zeitpunkt der Antragsstellung nachgewiesen werden kann. Es empfiehlt sich darüber hinaus in den Tagen und Wochen vor der Antragstellung ein Pflegetagebuch zu führen. Hier wird dokumentiert auf welche Hilfeleistungen der Angehörige angewiesen ist. Dies erleichtert konkrete Hilfestellungen seitens der Krankenkasse erheblich.
- Gutachten: Unmittelbar nach der Antragstellung beauftragt die Krankenkasse einen Gutachter der MDK (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung). Dieser muss innerhalb von fünf Wochen einen Hausbesuch vornehmen und darüber entscheiden, ob eine Pflegebedürftigkeit vorliegt. Auch die konkrete Pflegestufe, von der die späteren Leistungen der Krankenkasse abhängen, wird hier bereits festgelegt. Auf welcher Basis die Gutachten erfolgen, kann genauer auf der Webseite der MDK nachgelesen werden: www.mds-ev.de/Pflegebegutachtung.htm. Wichtig für Angehörige ist es den Gutachter stets mit einer weiteren Person zu empfangen. Bei möglichen späteren Streitigkeiten ist so ein Zeuge anwesend.
Auf Basis des erstellten Gutachtens werden Pflegebedürftige drei verschiedenen Pflegestufen zugewiesen, die mit unterschiedlichen finanziellen Leistungen durch die Krankenkasse verbunden sind. Bei häuslicher Pflege wird prinzipiell weniger gezahlt als bei ambulanter oder stationärer Pflege. Darüber hinaus gibt es eine eigene Pflegestufe für Demenzerkrankte sowie eine Pflegestufe für Härtefälle. Von der Pflegeversicherung werden allerdings maximal 75 Prozent der entstehenden Kosten abgedeckt.
Bild: Tabelle
Übrigens: Es ist durchaus möglich erfolgreich Widerspruch gegen die Einordnung in eine Pflegestufe einzulegen. Da das Gutachten stark von der individuellen Einschätzung des MDK-Gutachters abhängt, kommt ein anderer Gutachter nicht selten zu einem anderen Ergebnis.
Bild: Im Jahr 2012 wurden 283.417 Menschen der dritten Pflegestufe zugeordnet.
Pflege zu Hause – Was kann man tun?
Oftmals haben Kinder Skrupel ihre eigenen Eltern ins Heim zu schicken – und auch eine hohe Zahl der Pflegebedürftigen möchte lieber weiterhin zu Hause wohnen bleiben. In diesem Fall zahlt die Pflegeversicherung sowohl privat pflegenden Kindern als auch einem ambulanten Pflegedienst abhängig von der konkreten Pflegestufe einen gewissen Betrag. Die folgende Checkliste kann dabei helfen die häufigsten Probleme von Kindern zu klären, deren Eltern plötzlich pflegebedürftig geworden sind:
- Informationen und Kurse: Wer seine Angehörigen selbst pflegen möchte, sollte sich unbedingt umfassend zum Thema informieren. Die gesetzlichen Krankenkassen sind dazu verpflichtet den Angehörigen mit weitreichenden Informationen zum Thema Pflege zur Seite zu stehen. Auch Pflegekurse helfen dabei den Pflegealltag zu meistern.
- Vorbereitung: Die Pflege zu Hause bedarf einer gewissen Vorbereitung. Häufig muss die Wohnung an die Bedürfnisse des Pflegebedürftigen angepasst werden. Auch zum Thema altersgerechte Wohnungen stellen Krankenkassen weitreichende Informationen zur Verfügung.
- Steuer: Viele Angehörige fragen sich, ob sie das ihnen zustehende Geld versteuern müssen. Die Antwort auf diese Frage lautet klipp und klar: Nein!
- Pflegegeld + Pflegedienst: Oftmals ist es aus beruflichen Gründen nicht möglich einen pflegebedürftigen Elternteil rund um die Uhr zu pflegen. In diesem Fall ist auch eine Kombination aus selbstständiger Pflege und Pflegedienst möglich. Die finanziellen Hilfestellungen werden dann entsprechend angepasst.
- Pflege und Beruf: Das Familienpflegezeitgesetz erlaubt es An· gehörigen zu Pflegezwecken ihre Arbeitszeit zu verringern oder ihre berufliche Tätigkeit für eine Dauer von bis zu 6 Monaten zu unterbrechen.
Weitere ausführliche Informationen zum Thema Pflege zu Hause bietet die folgende PDF Datei des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes (Der Paritätische): www.der-paritaetische.de/uploads/tx_pdforder/Pflegebeduerftig_gesamt.pdf.
Wohnen abseits vom Heim – Welche Möglichkeiten gibt es?
Bild: Mit anderen Senioren in einer Wohngemeinschaft zu wohnen, wird immer beliebter.
Leider ist eine Pflege in den eigenen vier Wänden nicht in jedem Fall möglich. Sofern nur eine geringe Pflegestufe vorliegt und entsprechende Senioren die meisten Tätigkeiten noch alleine verrichten können, gibt es eine ganze Reihe von Alternativen zum klassischen Pflege- bzw. Seniorenheim.
Immer häufiger finden sich etwa vom Staat geförderte „Senioren-Wohnungen“, welche speziell auf die Bedürfnisse von älteren, unter Umständen leicht pflegebedürftigen, Menschen zugeschnitten sind. Diese Wohnungen sind so konzipiert, dass alltägliche Tätigkeiten vom Waschen bis zum Kochen besonders einfach verrichtet werden können. In der Regel muss man mindestens 60 Jahre alt sein, um eine entsprechende Wohnung beziehen zu können.
Aber auch Haus- und Wohngemeinschaften für Senioren sind eine sehr sinnvolle Alternative zu sonstigen Einrichtungen. Hierbei ziehen mehrere Senioren zusammen, um sich gegenseitig Gesellschaft und Unterstützung zu leisten. Oftmals handelt es sich dabei um betreute Wohngemeinschaften. Das bedeutet, dass Ärzte rund um die Uhr gut erreichbar sind und geschultes Pflegepersonal die Bewohner in ihrem Alltag unterstützt.
Die Pflegebedürftigkeit der Eltern als bewältigbare Herausforderung
Ohne Frage: Die Pflegebedürftigkeit der Eltern ist für Kinder eine ganz besondere Herausforderung – gerade dann, wenn diese plötzlich eintritt. Dank umfangreicher Hilfestellungen beratender und finanzieller Art ist es jedoch möglich diese Herausforderung zu meistern. Abschließend nochmal die wichtigsten Überlegungen und Lösungsansätze bei einem Pflegefall der Eltern stichpunktartig zusammengefasst:
- Hilfe suchen: Der wichtigste Punkt zur erfolgreichen Bewältigung der Pflegebedürftigkeit von Angehörigen liegt in einer umfassenden Information. Diese kann bei Krankenkassen, wohltätigen Organisationen, zertifizierten Pflegeberatern oder auch im Internet erfolgen. Sogar kostenfreie Pflegekurse können in Anspruch genommen werden.
- Gutachten: Da das Gutachten des MDK über die Pflegestufe des Angehörigen und damit auch über die finanziellen Leistungen der Krankenkasse entscheidet, gilt es hier keine Fehler zu machen. Vor dem Gutachten sollte daher ein umfangreiches Pflegetagebuch geführt werden. Zudem sollte der Gutachter nie alleine, sondern stets mit weiteren Zeugen empfangen werden. Im Zweifelsfall ist es auch möglich Widerspruch gegen das Gutachten einzulegen.
- Beruf und Pflege: Es ist durchaus möglich private Pflegeleistungen mit ambulanter Pflege zu koppeln, um das Spagat zwischen Beruf und Pflege meistern zu können. Das Familienpflegezeitgesetz unterstützt berufstätige Pflegende.
- Wohnen im Alter: Auch abseits von Pflege und Seniorenheimen gibt es sinnvolle Wohnmöglichkeiten für ältere und pflegebedürftige Menschen. Betreute Haus- und Wohngemeinschaften etwa stellen einen guten Kompromiss zwischen dem eigenständigen Wohnen zu Hause und dem Wohnen in einem Heim dar.
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