Geflügeltes Power-Workout: Training für die Lunge
Geflügeltes Power-Workout: Training für die Lunge
29.07.2016
Richtig tief einatmen. fotolia.com © detailblick-foto
Die Lunge gehört neben dem Herzen zu den wohl lebensnotwendigsten Organen im menschlichen Körper. Ohne die Lunge funktioniert praktisch nichts. Erst sie ermöglicht es, den Sauerstoff aus der Atemluft abzuscheiden und in den Blutkreislauf abzugeben – vereinfacht ausgedrückt brauchen praktisch alle Stoffwechselprozesse bis hinunter auf die zelluläre Ebene Sauerstoff zwingend zum Leben.
Bloß: Wo heutzutage das Wort Herzgesundheit in aller Munde ist, jeder um seinen Cholesterinspiegel besorgt ist und beim Fitnesstraining darauf achtet, auch ja in einem, für das Herz optimalen Pulsbereich zu bleiben, wird die Lunge eher stiefmütterlich behandelt. Die meisten denken, dass es schon ausreichen würde, sich von aktivem und passivem Tabakrauch fernzuhalten, um die Lunge ein Leben lang frisch zu halten.
Doch das ist falsch. Auch die Lunge kann und sollte trainiert werden. Wie das geht, verrät der folgende Artikel.
Der Aufbau der Lunge
Der Brustkorb, in dem sich die beiden Lungenflügel befinden, ist vom restlichen Oberkörper durch das Zwerchfell abgeschlossen. Innerhalb des Brustkorbs herrscht Unterdruck. Atmen wir ein, spannen sich je nach Atemtechnik (Brust-, Bauch,- und Zwerchfellatmung) Muskeln an, die das Volumen des Brustkorbs erweitern. Durch den Unterdruck dehnt sich dabei auch die Lunge aus und saugt automatisch Luft ein. Durch die nun gespannten Muskeln sind Lunge und Brustkorb so gespannt, das der Mensch praktisch nur „loslassen“ muss, um die eingeatmete Luft nach außen zu befördern.
Ein Zivilisationsproblem
Und mit diesen einfach erklärten Vorgängen von Ein- und Ausatmen beginnt bei sehr vielen Menschen rund um den Globus bereits das Problem, denn sie atmen nicht richtig. Und das hat zunächst vor allem zivilisatorische Hintergründe: Von einem rein evolutionären Standpunkt aus betrachtet, ist der Mensch, wie praktisch jedes andere Säugetier, ein „Draußen-Lebewesen“.
Dass wir einen Großteil unseres Lebens in geschlossenen Räumen verbringen, ist von der Evolution nicht vorgesehen. Und diese Zwangs-Anpassung bedeutet für den Körper eine unglaubliche Anstrengung: In der freien Natur hat die Luft einen Sauerstoffanteil von rund 21 Prozent. Bloß: in geschlossenen Räumen, die nicht dauernd belüftet werden, schwankt dieser Anteil meist weit darunter. Alleine schon, weil wir beim Atmen der Luft rund 4 Prozent Sauerstoff entziehen und dafür Kohlendioxid ausstoßen.
Kommt noch hinzu, dass die meisten Menschen dazu erzogen wurden, eher flach zu atmen – wer in einem stillen Büro mal tief durchatmet, bekommt schnell die Frage gestellt, ob etwas wäre. Leser können das gerne jetzt an sich selbst erforschen. Wahrscheinlich werden sie nach diesen Worten erst einmal unwillkürlich tief einatmen.
Die Probleme lassen sich also folgendermaßen zusammenfassen:
- Wir atmen zu flach und dadurch verkümmern die Atemmuskeln.
- Wir verbringen zu viel Zeit in geschlossenen Räumen und quälen uns deshalb mit zu geringem Sauerstoffvolumen.
Vor allem letzteres ist entscheidend. Um erneut die Evolution zu bemühen: Die genannten 21% Sauerstoff sind praktisch überall auf der Erde gleich. Unser Körper ist also gar nicht dafür ausgelegt, mit weniger auszukommen. Bloß weil der Mensch anfing, geschlossene Behausungen zu bauen, muss er es – und quittiert Sauerstoffmangel mit Müdigkeit und Kopfschmerzen.
Lösung 1: Bitte durchlüften
Am natürlichsten für unsere Lunge wäre es demnach, wenn wir den ganzen Tag bei offenem Fenster verbringen würden. Und wer dank moderater Temperaturen und nicht meckernder Kollegen dazu die Möglichkeit hat, sollte es auch tun: Schon ein dauergekipptes Fenster im Raum reicht dazu aus.
Wer diese Möglichkeiten nicht hat, muss auf folgende Alternativen zurückgreifen:
- Im Winter sollte ein Raum vier Mal täglich für zehn Minuten bei weit geöffnetem Fenster gelüftet werden.
- Im Sommer gilt die gleiche Frequenz, bloß dass das Fenster hier eine halbe Stunde lang offenbleiben sollte.
Auch hier gibt es natürlich einen Idealfall: Nämlich der, dass zwei gegenüberliegende Fenster offen sind. Wer dazu beispielsweise im Büro nicht die Möglichkeit hat, sollte zumindest die Tür zum Flur öffnen, um Durchzug zu erzeugen.
Lösung 2: Lungengymnastik
So wie regelmäßiges Jogging gut für das Herz ist, so gibt es auch sportliche Übungen, die der Lunge selbst ihre Kraft erhalten können. Die folgende Technik entstammt zwar eigentlich einem Ratgeber für an der Chronisch-Obstruktiven-Lungenerkrankung Leidende, kann und sollte aber auch von Gesunden angewendet werden:
1. Tief einatmen, dabei die Arme waagerecht nach vorne strecken. Dann in einer gleitenden Bewegung die Arme über den Kopf heben und für zehn Sekunden halten. Dann die Schultern hängenlassen und den Oberkörper etwas vorbeugen und währenddessen ausatmen. Nach dem Ausatmen die Fußknöchel umfassen und die Silbe „Ha“ ausstoßen, während der Kopf soweit wie möglich nach unten gebeugt wird.
2. Die Arme waagerecht mit nach unten zeigenden Handflächen seitlich ausstrecken. Währenddessen tief einatmen. Anschließend ausatmen und gleichzeitig die Arme absenken, bis sie seitlich am Körper anliegen.
3. Die Arme erneut seitlich ausstrecken und einatmen. Dann die Arme vor der Brust fest kreuzen und ausatmen.
Diese Übungen sollten einmal täglich durchgeführt werden.
Lösung 3: Fisch ahoi!
Wer seine Lunge neben dem genannten Training etwas Gutes tun will, sollte sich Fisch einverleiben, oder besser gesagt: Fischöl. Forscher der American Lung Association fanden nämlich heraus, dass die darin in hohen Mengen enthaltene Omega-3-Fettsäure die Lungenfunktion um bis zu 65 Prozent steigern kann.
Lösung 4: Der Lungentrainer
Jeder Muskel wird nur durch anhaltende, starke Beanspruchung kräftiger. Das gilt auch für sämtliche an der Atmung beteiligten Exemplare. Allerdings können auf herkömmlich-sportlichem Weg einige davon nicht oder kaum trainiert werden. Dennoch gibt es eine Möglichkeit aus dem Bereich der modernen Fitnesstechnik: Die Geräte werden als Lungentrainer oder Atemtrainer vermarket. Prinzipiell handelt es sich dabei um nichts anderes, als ein Mundstück, mit verstellbarem Durchmesser: Dadurch wird der Luftstrom beim Einatmen verringert, die Muskulatur muss mehr arbeiten, um die Lunge zu füllen. Damit wiederum wird sie gekräftigt.
Bild: Am Ende der unzähligen Verästelungen unserer Lunge liegen die Lungenbläschen, die wie Weintrauben zu Gruppen zusammengesetzt sind. In ihnen findet die Hauptaufgabe des Organs statt: Sauerstoff aus der Luft abzutrennen und ans Blut abzugeben. fotolia.com © electrozebra.com.
Lösung 5: Abhusten, aber richtig
Das menschliche Atmungssystem kann man sich wie einen gigantischen Filter vorstellen: Insgesamt drei „Filterstufen“ sorgen dafür, dass wir Schmutzpartikel gar nicht erst einatmen und wenn, dann dass diese Teilchen so rasch wie möglich nach außen befördert werden:
- Die erste Barriere sind die Nasenhaare. Sie fangen grobe Verschmutzungen auf. Deshalb sollte man es auch nicht mit dem Nasenhaartrimmer übertreiben.
- Die zweite Stufe sind die Bronchien. Sie werden mit Millionen kleiner Flimmerzellen überzogen, auf deren Oberfläche sich Härchen befinden. Darin verfangen sich mittelgroße Staubpartikel, werden mit Schleim gebunden und durch Husten und Räuspern nach oben befördert.
- Die dritte Stufe findet in den Lungenbläschen statt. Hier arbeiten die Makrophagen, Zellen des Immunsystems und zerlegen diese Verschmutzungen.
Die für den Menschen am besten beeinflussbare Stufe ist dabei die Zweite und auch hier macht unsere anerzogene Unauffälligkeit Probleme: Viele Menschen unterdrücken normales, nicht krankheitsbedingtes Husten – und sorgen damit dafür, dass der Schmutz in der Lunge verbleibt und immer mehr wird – auch Krankheitserreger.
Der beste Tipp für eine freie Lunge ist deshalb: Wenn Sie husten müssen, dann tun sie es. Und zwar kräftig auch wenn sich dadurch jemand gestört fühlen könnte. Denn jeder Hust-Vorgang ist einfach nur ein Selbstreinigungsprozess – das gilt auch für das, was dabei nach oben befördert wird.
Lösung 6: Ausdauertraining
Beim sechsten Lösungsweg für eine starke Lunge kommen sich das Atmungsorgan und das Herz wieder näher und zwar beim Ausdauertraining. Das hat vor allem damit zu tun, dass Herz und Lunge unter gesteigerter Belastung ähnlich reagieren. So etwa vergrößert sich durch regelmäßiges Ausdauertraining der Herzmuskel, erweitert seine Herzkammern und benötigt dennoch weniger Sauerstoff. Für die Lunge hat dieses Training vergleichbare Effekte:
- Die Respirationsfläche wird vergrößert, es vergrößert sich also die Oberfläche der Lungenbläschen, sodass mehr Sauerstoff aufgenommen und ins Blut abgegeben werden kann.
- Gleichzeitig werden die Lungenbläschen auch noch durchlässiger, sodass dieses Mehr an Sauerstoff auch noch schneller ins Blut gelangt.
- Das Lungenkapillarnetz wird ausgeweitet. Diese Micro-Äderchen überziehen die Lungenbläschen und sind der erste Punkt, an dem Sauerstoff ins Blut gelangt. Je mehr Kapillare es gibt, desto besser die Sauerstoffaufnahme auf dieser Seite der Atmung.
- Das Atemminutenvolumen wird erhöht: Normalerweise atmen Erwachsene rund 17 Mal pro Minute ein und aus und bewegen dabei etwa 8,5 Liter Luft. Durch das Training vergrößert sich diese Menge erheblich – Leistungssportler weisen teilweise das Fünfzehnfache des Volumens auf.
- Die Atemökonomie wird verbessert: Für Belastungen benötigt der Körper also weniger Atemzüge.
- Die Lungenvenen- und Arterien weiten sich. Dadurch wird nicht nur die Lunge selbst besser durchblutet, auch das Pumpen von sauerstoffarmem und –reichen Blut von der Herzseite aus wird verbessert.
Damit ist das Ausdauertraining nicht nur ein Selbstzweck für die Lunge, sondern mit einer Menge anderer Vorgänge und Organe verbunden. Und das vielleicht Beste daran: Es ist de facto vollkommen gleich, welche Ausdauersportart angewendet wird. Wem strammes Wandern zusagt, kann damit seine Lunge ebenso trainieren, wie jemand, der lieber im Schwimmbecken seine Bahnen zieht.
Wichtig ist nur, dass der Körper dabei nicht überlastet wird – er sollte im aeroben Bereich trainiert werden. In diesem Bereich steht den Zellen noch genügend Sauerstoff zur Verfügung, damit sie ihre Leistung liefern könnten. Wird die Belastung in Richtung anaerober Bereich überschritten, reagiert der Körper nämlich mit der Produktion von Milchsäure – und die wiederum führt zu Muskel- und Gelenkschmerzen.
Fazit:
Die Lunge ist ein angesichts ihrer Funktion sträflich stiefmütterlich behandeltes Organ. Zwar ist das Beenden einer Raucherkarriere generell immer ein richtiger Schritt. Aber um die Lunge dauerhaft fit zu halten und zu kräftigen sollten es selbst Menschen ohne jegliche Probleme mit dem Atmungsorgan nicht auf die lange Bank schieben, ihren lebenswichtigen Flügeln durch Sport und entsprechende Übungen etwas Gutes zu tun.