Parodontitis und Diabetes: Gefährliche Wechselbeziehung - Was Patienten wissen sollten

Parodontitis und Diabetes: Gefährliche Wechselbeziehung - Was Patienten wissen sollten

11.05.2016

Ratgeber: Parodontitis und Diabetes: Gefährliche Wechselbeziehung - Was Patiente

Foto: Porträt Prof. Jepsen: EFP

Acht Fragen an Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Søren Jepsen, Universitätsklinikum Bonn, Vorstandsmitglied der European Federation of Periodontology, EFP (europäischer Dachverband der parodontologischen Fachgesellschaften).

 

1.    Was genau versteht man unter Parodontitis und wie entsteht sie?

Die Parodontitis ist eine Entzündung des Zahnhalteapparates, die durch Bakterien verursacht wird. Sie beginnt mit einer Zahnfleischentzündung, einer sogenannten Gingivitis: Das Zahnfleisch ist gerötet, blutet leicht bei Berührung und ist geschwollen. Auslöser ist der bakterielle Zahnbelag (Plaque). Aus der Gingivitis kann sich eine Parodontitis entwickeln: Außer gelegentlich blutendem Zahnfleisch treten manchmal Mundgeruch, gelockerte Zähne sowie eine Veränderung der Zahnstellung auf.

Zahnfleisch- und Zahnbettentzündungen (Gingivitis und Parodontitis) sind die in Europa am weitesten verbreiteten Erkrankungen. In Deutschland sind etwa 8 Millionen Menschen von einer schweren Parodontitis betroffen. Unbehandelt können Sie zu Zahnverlust, Problemen beim Essen und Sprechen sowie einer Minderung des Selbstvertrauens und der Lebensqualität führen.

2.    Stimmt es, dass Parodontitis eine Gefahr für den ganzen Körper darstellt?

Ja, das ist richtig. Parodontitis wird hauptsächlich durch bestimmte Bakterienarten im Zahnbelag hervorgerufen. Wir wissen heute, dass das entzündliche Geschehen nicht auf die Mundhöhle beschränkt ist. Die Parodontitis wird mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für Herzerkrankungen, Diabetes und Risikoschwangerschaften in Verbindung gebracht, auch wenn noch nicht alle Wirkmechanismen bekannt sind. Besonders gut erforscht ist die Wechselbeziehung von Parodontitis und Diabetes.

3.    Können Sie das näher erläutern?

Parodontitis gilt als Folgeerkrankung von Diabetes. So haben Diabetes-Patienten im Vergleich zu Nicht-Diabetikern ein dreifach erhöhtes Risiko, an Parodontitis zu erkranken. Untersuchungen zufolge können sich beide Krankheiten gegenseitig negativ beeinflussen und verstärken.

4.    Was raten Sie demzufolge Diabetikern?

Sie sollten unbedingt auf eine gute Blutzuckereinstellung achten. Denn das beeinflusst auch den Verlauf einer Parodontitis positiv. Gut eingestellte Diabetiker sprechen ähnlich gut auf eine Parodontitis-Behandlung an wie Nichtdiabetiker. Umgekehrt wirkt sich eine sorgfältige Behandlung der Parodontitis günstig auf die Blutzuckerkontrolle von Diabetes-Patienten aus.

5.    Sollte aus Ihrer Sicht jeder Diabetes-Patient vom Hausarzt zum Zahnarzt geschickt werden?

Es ist in der Tat wichtig, dass Haus- und Zahnarzt eng mit dem Patienten zusammenarbeiten und dass Diabetiker von ihrem Hausarzt zum Zahnarzt überwiesen werden. Umgekehrt sollten Patienten, die mit ersten Zeichen einer Parodontitis und Risikofaktoren etwa für einen Typ-2-Diabetes wie Übergewicht und Bluthochdruck zum Zahnarzt kommen, über ihr Diabetes-Risiko aufgeklärt und an den Hausarzt verwiesen werden.

6.    Wie kann dem Patienten am besten geholfen werden?

Es ist wichtig, dass sich die Vorsorge verbessert, damit Folgeschäden verhindert werden können. Bei Diabetes und Parodontitis handelt es sich um chronische Erkrankungen, die lange Zeit unbemerkt bleiben können. Das liegt daran, dass sie oftmals zunächst schmerz- und symptomlos verlaufen. Häufig werden sie erst in einem fortgeschrittenen Stadium erkannt. Grundsätzlich ist es wichtig zu wissen, dass ohne Zahnbeläge keine Gingivitis bzw. Parodontitis entstehen kann. Die Mitarbeit des Patienten ist also dringend gefragt.

7.    Was kann der Patient selbst tun?

Neben dem täglichen regulären Zähneputzen ist es wichtig, auch die Zahnzwischenräume zu reinigen, um zu verhindern, dass sich dort Beläge bilden. Hierfür eignen sich vor allem sogenannte Interdentalbürstchen. Außerdem sollten Patienten auf das Rauchen verzichten und regelmäßig zum Zahnarzt gehen.

Denn nur bei regelmäßigen Zahnarztbesuchen, kann Parodontitis verhindert oder zumindest frühzeitig festgestellt werden. Und: Je früher eine Zahnfleischentzündung diagnostiziert wird, desto erfolgreicher kann sie auch behandelt werden. Bleibt sie unbehandelt, wirkt sich das irgendwann schädlich auf Körper und Organismus aus.

8.    Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es, wenn Parodontitis bereits diagnostiziert wurde?

Parodontitis kann mit vergleichsweise einfachen Maßnahmen erfolgreich behandelt werden. Bei vielen Patienten mit Parodontitis ist eine gründliche Zahnreinigung mit speziellen Instrumenten sowie eine Umstellung des Zahnputzverhaltens bereits ausreichend. Im Rahmen einer Parodontitis-Behandlung, die aus mehreren Schritten besteht, ist es darüber hinaus manchmal notwendig, Zahnfleischtaschen und Wurzeloberflächen unter örtlicher Betäubung mit Ultraschall-Geräten und Handinstrumenten zu reinigen, um die Entzündung zu beheben.

Manchmal können auch kleinere chirurgische Eingriffe notwendig sein. Wichtig: Wer einmal an Parodontitis leidet, muss regelmäßig zur Vorsorge! Eine sogenannte Erhaltungstherapie soll langfristig die parodontale Gesundheit erhalten und damit den Zahnverlust verhindern und kann auch zu einer besseren Blutzuckerkontrolle von Diabetikern beitragen.

Für Typ-2-Diabetiker ist zudem eine gute Blutzuckereinstellung wichtig. Reicht eine gesunde Lebensweise mit ausreichend Bewegung, Übergewichtreduzierung, Verzicht auf das Rauchen und ausgewogener Ernährung nicht aus, um den Blutzuckerwert zu senken, gibt es eine Vielzahl an wirksamen Medikamenten, über die der Hausarzt aufklärt.

 

Infokasten:

Wie häufig ist Parodontitis?

Es gibt hierzulande schätzungsweise etwa 20 Millionen Patienten mit einer behandlungsbedürftigen Parodontalerkrankung. Ca. acht Millionen leiden unter einer schweren Parodontitis.

 

Weitere Informationen erhalten Sie unter Deutsche Gesellschaft für Parodontologie e.V. - www.dgparo.de.

 

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